Lapa – Rios Wiege der Bohemie

Das Kneipenviertel Lapa – Rios Wiege der Bohemie

rio-de-janeiro1  Brasilien ist laut den Vereinten Nationen eines der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit. Arm und Reich wohnen getrennt, gehen in unterschiedliche Schulen, andere Supermärkte und trinken ihr eiskaltes Bier in getrennten Bars. Eine Ausnahme bildet nur die Lapa – das Kneipenviertel im Zentrum von Rio de Janeiro: die Wiege der Bohemie.

Anna aus Köln und Maya aus Bamberg tanzen zu den ohrenbetäubenden Rhythmen einer Bateria, Trommlern. Sie haben sich bei einem Praktikum in Rio de Janeiro kennengelernt. Es ist Freitagabend, die Zeit, in der das Kneipenviertel Lapa vor Menschenmassen zu vibrieren scheint. Auf den Straßen mischen sich Einheimische und Touristen, Straßenhändler und Musiker, Prostituierte und feierwillige Unternehmer. „Lapa ist schon ein ziemlich einzigartiger Ort, in dem überall auf der Straße live Musik rio-de-janeiro2gespielt wird, alle tanzen und singen und die Stimmung ist ziemlich cool“, sagt Maya.
Die beiden jungen Frauen sind in einem kleinen Club unweit des berühmten Aquäduktes, das das Zentrum der Metropole mit dem Künstlerviertel Santa Teresa verbindet. Die Art-Déco-Fassade-Fassade des Gebäudes ist zum Teil verfallen. Nachbarhäuser sind komplett gesperrt. Sie erinnern an die Entstehung des Viertel, vor 100 Jahren. In dem Lokal mit den Trommlern gibt’s fast keine Einrichtung – zwei Bars und ein paar Boxen, an die zwei Mikrofone angeschlossen sind. Zwei Stunden tanzen Anna und Maya zu den Rhythmen. Dann ziehen sie weiter auf die andere Seite des Aquäduktes. Auf dem Weg kommen sie an den Ständen von Straßenhändlern vorbei. Die verkaufen Getränke, Suppen, Snacks. Dazwischen patrouillieren Ordnungshüter in bunten Westen. Die Lapa soll ihren Ruch des Halblegalen abschütteln. In den 50er  Jahren, der Blüte von Rio de Janeiro als Hauptstadt Brasiliens und angesagter Welt-Metropole, wurde die Lapa mit seinen Cabarets und Restaurants zu einem Zentrum des Nachtlebens. Künstler, Intellektuelle und Politiker tummelten sich hier.

rio-de-janeiro3 1960 löste Brasilia Rio als Hauptstadt ab. Die Stadt unterm Zuckerhut verlor an Bedeutung. Und auch in der Lapa begann der Niedergang. Die Bewohner verzogen. Die Gebäude verfielen, Obdachlose und Drogensüchtige besetzten die leer stehenden Häuser. Lapa wurde bekannt für Dreck, Kriminalität und Verfall.
1982 entschied die Stadtverwaltung dem Circo Voador eine definitive Bleibe zu geben. Der fliegende Zirkus war durch zahlreiche Konzerte an unterschiedlichen Orten in Rio bekannt geworden – hier in der Lapa störten die lauten Bands niemanden. Ihm folgten einige Bars und Clubs. Einer der ersten war das „Rio Scenarium“ – entstanden aus einem Trödelmarkt ist es heute einer der schicksten Clubs von Rio. Dann kam das „Carioca da Gema“, in dem Samba und Chorinho gespielt werden. Dessen Betreiber Thiago Alvim sagt, die Lapa sei heute der beste Platz, um in Rio de Janeiro Auszugehen. Sie biete Möglichkeiten für jeden Geldbeutel: „Wir haben eine hohe gastronomische Vielfalt. Sie können ein Bier für einen Euro trinken oder auch für fünf.“
Anna und Maya zieht es heute Nacht ins „Lapa 40°“, dem jüngsten der schicken Clubs der Lapa. Vor der Tür verkaufen Händler Fleischspieße und Getränke, die in Styropor-Kisten kaltgehalten werden. So lässt sich auch die Warteschlange ertragen. Und die Nacht ist noch jung im Zentrum der Bohemie von Rio de Janeiro.

rio-de-janeiro4

Carsten Upadeck
https://www.facebook.com/BrasilienReport